Ein einsames neues Jahr (Marianne, 72, Bruck an der Leitha)

Einsamkeit zum Jahreswechsel

Wieder ist ein Jahr vergangen und ich war wieder ein ganzes Jahr allein. Ich habe meinen Mann vor Jahren verloren. Wir haben acht Fehlgeburten durchlebt, dann haben wir aufgehört, es zu versuchen. Wir konnten nicht mehr. Nun verbringe ich schon seit einigen Jahren Silvester allein. Wie jedes Jahr decke ich Tisch für uns beide.

Es gibt selbst gebratenen Fisch mit Kartoffeln und Dill-Soße. Früher hatte mein Gatte den Fisch noch selbst gefangen und wir aßen jedes Jahr an Silvester einen seiner Fische. Natürlich von hinten nach vorne! Mittlerweile muss ich den Fisch im Supermarkt kaufen, da ich keinen seiner gefangenen Fische mehr habe. Nun sitze ich da, allein, doch ich weiß, er ist bei mir. Ich sehe sein Lächeln von mir und fühle mich geborgen. Ich esse zu Ende, setze mich vor den Fernseher und sehe mir das Silvesterprogramm an, während mir eine Träne über die Wange läuft.

Der Platz neben mir ist leer, ich bin allein, ich habe niemanden mehr. Ich gebe mir Mühe wach zu bleiben, damit ich um Mitternacht dem Klang der Pummerin lauschen kann. Vor 54 Jahren hatte er mir an Silvester einen Heiratsantrag gemacht. Vor unseren Familien! Natürlich hat er zuvor bei meinem Vater um meine Hand angehalten und mein Vater war so glücklich und stolz, dass ich einen so tollen Mann gefunden habe. Alle haben sich so sehr für uns gefreut. Jetzt kann ich meine Tränen nicht mehr länger aufhalten.

Ich vermisse ihn so sehr, ich fühle mich so schrecklich einsam, doch ich weiß, bald werde ich dir folgen und dann sind wir im Himmel wieder vereint.

 

Da es für uns höchste Priorität hat, die Anonymität der Hilfsbedürftigen zu wahren, handelt es sich bei der abgebildeten Person NICHT um die Person, auf die der Text Bezug nimmt, sondern um ein Stockfoto. Die Abbildung soll lediglich als Symbolfoto dienen.